Das Phantom im Nebel

(Yves Raemy)

03:30: Tagwache in Hospental, den Wecker braucht es nicht, ich bin 5 Minuten vorher aufgewacht. Mein innerer Wecker funktioniert prima. Ich freue mich sehr auf die heutige Strahlertour, die Kluft von letzter Woche wartet auf uns. In den letzten Tagen war das Wetter schlecht und so ist heute endlich die Zeit gekommen, um an der neugefundenen Rauchquarz Kluft weiter zu arbeiten. Zur Verstärkung kommt heute wieder einmal mein Vater mit. In dieser Saison konnten wir noch nicht viel zusammen unternehmen. 04:30: wir marschieren los auf dem Furkapass (zuerst noch 5 Minuten Parkplatz suchen, zu viele Leute auf dem Pass). Ich gehe vorne weg, ich kenne doch das Ziel. Es ist wieder einmal sehr warm und wir machen nach einer guten Stunde eine kurze Trinkpause. Die Sonne geht auf, es verspricht, ein schöner Tag zu werden, ein paar wenige Wolken sind noch da. An den hohen Bergen klebt noch ein bisschen Nebel. Wir steigen weiter bergauf. Als wir die Steigeisen anziehen ist der Nebel nicht mehr weit weg. Ich hatte schon ein paar nicht so schöne Erlebnisse im Nebel und deswegen bleibe ich sehr vorsichtig. Wir steigen wacker auf, die Steigeisen greifen gut auf dem Eis. Es gilt zwei, drei grössere Gletscherspalten zu umgehen, was auch gut gelingt.

Der Nebel ist jetzt mitten um uns und wir können uns nicht mehr an den Bergen orientieren. Ich bin mir sicher, den Weg von letzter Woche gut eingeprägt zu haben. Und trotzdem kommt ein Moment wo ich wohl ein wenig zu viel rechts gegangen bin. Und so machen wir heute Morgen halt einen kleinen Umweg. Der Nebel lichtet sich und ich finde mich wieder zurecht. Aber halt! Dort oben ist etwas auf dem Gletscher, zwei grosse Hörner! Ich bleibe stehen und brauche einen zweiten Blick. Ein Steinbock liegt auf dem Gletscher. Er ist tot und das wohl schon lange, der Verwesungsprozess ist schon weit fortgeschritten. Wir begutachten das Tier, das war ein rechter Bock! Es riecht streng aber trotzen müssen wir nicht lange überlegen. Wir schauen uns gegenseitig an und ich nehme mein Messer aus dem Rucksack. So einen kapitalen Bock müssen wir doch mitnehmen. Wir versuchen den Kopf oder was noch davon übrig ist abzulösen. Es geht einfacher als gedacht und kurze Zeit später haben wir was wir wollen in einem grossen Plastiksack verstaut und im Rucksack eingepackt. Ich halte noch einmal inne und bedanke mich für das Geschenk der Natur. Ohne Nebel wäre ich nicht hier entlanggelaufen und hätte den Steinbock nie entdeckt.

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Heute kommen wir ein wenig später bei der Kluft an und so machen wir erstmal eine ausgiebige Znünipause. Nicht einen Kristall im Rucksack und schon so zufrieden! Die Berge haben viel zu bieten. So nun endlich können wir die Arbeit bei der Stelle aufnehmen. Es ist eng und so kann immer nur einer arbeiten. Der Andere ist der Handlanger. Wir wechseln uns ab. Und bringen so die Rauchquarze ans Tageslicht. Fast nur Spitzen, wenig Gruppen aber das Besondere daran ist die schön dunkle Farbe und die weissen Phantome die darin eingeschlossen sind. Nicht alle haben einen Phantomeinschluss was unter dem zähen Lehm aber nur schwer zu sehen ist. Der grösste Kristall ist 6cm lang und hat einen sehr schönen Glanz. Solche Kristalle packt man gerne ein.

 

Der Nebel wird noch einmal dichter und es beginnt sogar mit Graupelschauer und nach zwei Minuten schneit es. Wir machen kurz die Rucksäcke und Kleider schneedicht und danach kann es weiter gehen. Die Schneeschauer dauert nur 5-6 Minuten und es klart schon wieder auf. Das reicht aber, um alles rund um uns herum in Weiss zu kleiden. So schnell kann es gehen über 3000 Meter über Meer.

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Es ist nun schwieriger geworden, die Kristalle aus dem zähen Kluftlehm zu bergen da die Kluft immer tiefer wird. Es braucht grössere Arbeiten an der Kluftdecke, um mehr Platz zu schaffen. Aber nichts überstürzen und erst mal Mittagspause machen. Es kommt sogar die Sonne und wärmt uns, der versprochene sonnige Tag. Wir arbeiten den ganzen Nachmittag an der Decke, ab und zu kommt noch ein Kristall ans Tageslicht. Die Kluft zieht noch weiter nach hinten und verspricht so noch ein paar Tage Arbeit. Wir packen alles zusammen, den Steinbock nicht vergessen! Und machen uns auf den Abstieg. Bei schönstem Sonnenschein kein Problem. Aber heute hatten wir dem Nebel viel zu verdanken. Wir rochen ein bisschen streng aber voilà so ist das nun mal mit einem Bock im Rucksack!


Zuhause staunten sie nicht schlecht über unseren Tagesfund. Nach dem gemütlichen Abendessen ging ich früh ins Bett mit vielen schönen Erinnerungen im Kopf. Und ich träumte noch vom grossen Steinbock………..       

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