Der Strahler aus Moosseedorf
(Regula Zimmermann, 2010)
Yves Raemy ist Bäcker/Konditor. Den Sommer verbringt er aber nicht in der Backstube sondern als Strahler in den Bergen.
Der sensationelle Fund von Paul von Känel und Franz von Arx gab zu reden. Die beiden Strahler entdeckten die 300 Kilogramm schwere Kristallgruppe mit einem 107 Zentimeter langen zentralen Kristall am Planggenstock. Wert: 4,5 Millionen Franken. «Wahnsinnig viel Geld, aber dahinter steckt auch jahrelange, harte Arbeit», weiss Yves Raemy. Der 23-Jährige ist vor allem in den Sommermonaten als Strahler in den Bergen unterwegs. Sein bisher grösster Fund machte er vor drei Jahren am Furkapass. Der Moosseedorfer entdeckte einen 35 Kilogramm schweren Rauchquarz. «Ich habe ihn eingewickelt, in den Rucksack gepackt und in einem mehrstündigen Marsch ins Tal getragen.» Dieser grosse Fund ziert seither das Wohnzimmer der Familie Raemy. «Die Grösse ist aber nicht das wichtigste Kriterium», so der junge Mann. Kleinere Funde hätten mehr Glanz, seien reiner und somit wertvoller. Raemy konnte schon Kristalle für wenige tausend Franken an Sammler verkaufen. Mehr Spass macht ihm aber der Verkauf an Weihnachtsmärkten. Da bietet er Kristallspitzen für einige Franken an. «Ich finde es schön, wenn sich Kinder mit ihrem Sackgeld einen Stein kaufen.»
Geht am Wochenende Touristen aus dem Weg
Yves Raemy geht es nicht darum, sich eine goldene Nase zu verdienen. Er ist seit seiner Kindheit oft in den Bergen. «Beim Strahlen geht es mir nicht nur um den Stein, sondern auch darum in der Natur zu sein.» Es gäbe nichts Eindrücklicheres als morgens aus dem Zelt zu kriechen und 15 Steinböcke zu sehen. Der gelernte Bäcker/Konditor war die letzten drei Sommer vollzeit als Strahler unterwegs. Wenn das Wetter mitmachte, war er wochentags immer auf Achse. «Am Wochenende sind zu viele Touristen in den Bergen, da bleibe ich lieber zuhause», erzählt er lachend.
Strahler-Ehrenkodex
Der 23-Jährige ist vorwiegend im Furka- und Grimselgebiet auf der Suche nach Kristallen. «Es ist von Vorteil, wenn man die Region etwas kennt.» Wie erkennt man, ob sich hinter dem Felsen wertvolle Steine verbergen? Das Gestein sei ausgelaugt, erklärt der Fachmann. Durch eine Öffnung kriecht er dann sechs bis sieben Meter in den Berg hinein. Oft arbeitet er mehrere Tage an einem Ort und muss dann die freigelegte Stelle verlassen. «Der Ehrenkodex besagt, dass eine mit Datum und Werkzeug gekennzeichnete Stelle zwei Jahre lang von keinem anderen Strahler angefasst werden darf.»
Von Steinschlag getroffen
Sich in den Bergen aufzuhalten birgt immer Gefahren. Das haben Yves Raemy und sein Vater am eigenen Leib erfahren. Vor vier Jahren ging ein Felssturz nieder und die beiden wurden vom Steinschlag getroffen. Während der Vater mit einem Schädel-Hirn Trauma und zertrümmerten Hüften ins Spital eigeliefert wurde, musste Yves mit gequetschten Wirbeln im Paraplegiker-Zentrum Nottwil eingeliefert werden. Seither lebt er mit einer Platte im Rücken. Hat er seither Angst? – Kopfschütteln. «Ich hatte schon immer Respekt und verhalte mich vernünftig.»
In seinem Zimmer stehen drei Vitrinen mit unzähligen Kristallen. «Die Schönsten will ich selber behalten.» Da die Glasschränke aber bereits voll sind, muss sich Yves Raemy jedesmal von einem Stein trennen, wenn er einen neuen behalten will.